Kommentierte Daten aus der Geschichte

Die Anfänge der beurkundeten Geschichte von Lüttelforst sind eng verbunden mit der Schenkung der Jakobskapelle durch Wilhelm von Amern. Der Erhebung zur selbstständigen Pfarre durch Engelbert von Valkenburg, damaligen Archidiakon von Lüttich, auf Betreiben des Mitglieds des Kölner Domkapitels W. von Amern wurde in 2008 im Rahmen der 750 Jahrfeier gedacht. Die weitere wechselvolle Geschichte bis zur Einbindung in die preußischen Rheinprovinz war u.a. geprägt durch die Grenzlage im Aufmarschgebiet konkurrierender Mächte. Die folgenden Daten erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit…

Ein Tipp: Historisch Interessierte finden digitalisierte Urkunden und Akten aus Gemeindearchiven, soweit sie im Findbuch des Kreiarchivs in Kempen erschlossen sind. Das Kirchenarchiv von Lüttelforst werden Sie nicht finden, Sie müssen sich dazu an das Pfarrbüro von St. Michael in Waldniel wenden. Besitzer dieser Bestände ist auch das Bistum Aachen. Das Stadtarchiv Viersen verwaltet nur Bestände aus Boisheim, Süchteln, Dülken und Viersen.

Gründung im Mittelalter 1255  

Als Waldhufensiedlung im einstigen mittelalterlichen Mülgau (nach fränkisch „Mul“ = Wasser – z. B. Schloss My(i)llendonk ) oder latinisiert: im „Terra de Mula“ ( Terra als alter lat. Name für eine Rechts- u. Verwaltungseinheit; Erstnennung schon 897!) gelegen, wurde „Luttelinworst“ erstmalig in einer Urkunde des Wilhelm von Amern erwähnt (nach Binterim und Mooren, 1830). Als Pfarrherr schenkte er der Jakobuskapelle einige Güter, deren Einkünfte zur Bezahlung (Pfründe) eines „sacerdos perpetuus“ (d.h. ständiger Priester) dienen sollten. Das Pastorat, d.h. das Recht, Priester einzusetzen, blieb in Amern.In diese Zeit fällt auch eine Urkunde von 1261, in der ein Gut einem „Ritter Adam von Lüttelforst“ zu Lehen gegeben wurde, dessen Beziehung zu den Herren von Amern ungeklärt ist, der wahrscheinlich aber ein Vasall des Erzbistums Köln war.

1258   wurde die Jakobus-Kapelle vom Archidiakon Engelbert von Valkenburg zur Pfarrkirche erhoben. Sie gehörte fortan – weil westlich der Niers – zum Bistum Lüttich.
1267   Für ein Erstarken des Klerus am Niederrhein im Hochmittelalter spricht aus Sicht der Historiker auch der Verkauf der Lehnsherrlichkeit über den Zehnten (Steuerabgabe) bei Lüttervorst an den Stift zu Xanten durch ein Arnold von Niederamern.
1271   Ein anderer Laie oder Ritter, Egidius Brempt, überließ drei Güter aus Niederamern der St. Jakobuskapelle. Das Urkundenbuch Xanten berichtet auch von dem Ankauf dreier Güter aus Amern für Lüttervorst durch den Pfarrer von Amern.

13./14. Jhdt.

 

 

 

 

 

 

 

1305-1801

 

Mit Ausbildung und Konzentration von Territorialmächten wie der der Grafen von Jülich-Berg gingen viele Lehnsgüter der Herren von Brempt, Amern oder von Kessel durch Kauf oder Erbfolge in deren Besitz über. Als alte Grenzfeste derer von Kessel wurde die Burg Brüggen ausgebaut und zum einem Sitz des Jülicher Landes, besetzt mit einem aus adligen Kreisen stammenden Amtmann zur zuständigen Lokalverwaltung.

Die Schwalm war in der Folge Grenze zum benachbarten burgundischen , später spanisch-habsburgischen Besitz (1556 – 1713) (bis heute bezeichnet der Volksmund gelegentlich die andere, südliche Seite der Schwalm als die sog. „spanische“) und danach bis 1795 Grenze zwischen Österreich und dem Herzogtum Jülich. Das Grenzland war nicht selten Durchzugsgebiet der verfeindeten Parteien, deren Heere von der Bevölkerung u.a. mit sog. „Fouragediensten” ernährt und versorgt werden mussten.

Das Gebiet der heutigen Gemeinde Schwalmtal gehörte als „Waldnieler Ort“ zu dem Jülicher Amt Brüggen. Lüttelforst war eine selbstständige Gemeinde.
1503   In diesen unruhigen Zeiten wurde die St.Jakobus Schützenbruderschaft als Bürgerwehr gegründet, aber später auch zur Festigung der katholischen Glaubensgemeinschaft im Zuge der Gegenreformation beansprucht.
1609 – 1614   Jülich-Klevischer Erbfolgekrieg nach dem Tod von Johann Wihelm zw. Johann Sigismund von Brandenburg und Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg (d.h. dem Großvater von „Jan Wellem“)

1648

 

1795

 

Macht- und Besitzansprüche der Habsburger sowie der Frankreichs brachten auch nach dem dreißigjährigen Krieg keinen Frieden.

Nach der Eroberung durch die Franzosen gehörte der Niederrhein nunmehr zum Roer-Department. Lüttelforst wurde von der Bürgermeisterei in Bourg Waldniel mitverwaltet.

1802 – 1805   In diese Zeit fiel der Neubau der St.Jakobus-Kirche , die die zerfallende Kapelle auf dem Friedhofsgelände ersetzen sollte. Stifterin war Anna Katharina Mühlenweg, Witwe eines reichen Kaufmanns vom Herbertzhof. Die Innenausstattung entstammte dem aufgelassenen Holzheimer Kloster Eppinghoven.

1815

 

 

 

1915

 

 

 

1932-38

 

Nach dem Wiener Kongress wurden die Rheinlande und somit auch Lüttelforst preußisch. Die Schwalm bleibt wie zur „spanischen“ Zeit Grenzfluss zwischen den Regierungsbezirken Düsseldorf und Aachen bzw. Köln. Waldniel nannte sich ab da Burgwaldniel. 1823 war die Bürgermeisterei für Burgwaldniel, Kirspelwaldniel (Pfarrbezirk Waldniel) und für Lüttelforst zuständig.

Lüttelforst, Kirspelwaldniel und Burgwaldniel wurden zur Gemeinde „Waldniel“ zusammengelegt. Damit endete die Selbstständigkeit Lüttelforsts, die darin bestanden hatte, dass der Ort über einen eigenen Steueranschlag, Kataster, Haushalt und eigenen Schöffen oder Gemeindeverordneten verfügte.

In Lüttelforst wurde auf dem Gebiet des Halveshofs (heutige Buchenstraße) ein Arbeitsdienstlager errichtet mit Unterkünften für bis zu 200 Arbeitskräfte des „Freiwilligen Arbeitsdienstes“ und (ab 1935) des verpflichteten Reichsarbeitsdienstes, die zu Arbeiten im Zuge der Begradigung der Schwalm zwischen Lüttelforst (ab Wegbrücke nach Merbeck) und der Lüttelforster Mühle herangezogen worden waren. Nach Beendigung der Arbeiten wurden die Baracken in ein Kriegsgefangenenlager umgewandelt. In den späten 40er und frühen 50er Jahren dienten sie der Unterbringung von Flüchtlingen aus den Ostgebieten.

1954

 

 

 

 

 

01.01.1970

 

Mit Aufkommen des „Kalten Krieges“ verlegten britische Militärbehörden ihren Sitz an den Rhein. Die einstigen Besatzer kamen 1954 damals als Natostäbe von Bad Oeynhausen und beanspruchten 15qkm des sich im Privatbesitz des Fabrikanten Montforts befindlichen Rheindahlener Waldes. Südöstlich von Lüttelforst entstanden in Rekordzeit die JHQ(=Joint Head Quarters, d.h. Verbindung von britischen- und Natokräften) für Infanterie, Marine und Luftwaffe. Der Kommandant der Luftwaffe Nord residierte nun am östlichen Ortseingang  Lüttelforsts im repräsentativen „Airhouse“ mit Luftschutzkeller. Die Ordnung der Nachkriegswelt war auch in Lüttelforst angekommen.

Die Gemeinden Waldniel und Amern wurden zur neuen Gemeinde Schwalmtal zusammengeschlossen.

 

1960er und 1970er Jahre

 

Der Eindruck einer bäuerlichen, beinahe mittelalterlichen Waldhufensiedlung blieb bis in die 60er Jahre weitgehend bestehen. Die Bebauung der nördlichen Straßenseite sowie der Buchenstraße, u.a. für Bedienstete des JHQ, löste viele Merkmale dieser Siedlungsform auf. Aus einer Bevölkerung von Bauern und Handwerkern, die vorwiegend vor Ort arbeitete, entstand eine von Pendlern, die in den nahen Großstädten ihr Auskommen fand. Hinzu kam die Industralisierung der Landwirtschaft im großen Stil durch Maschinisierung und Automation.

Durch den Bau der Autobahn A52 in Richtung Roermond, die eine schnellere Anbindung ermöglichte, zogen verstärkt Städter nach Lüttelforst. Dies führte zu einer erheblichen Veränderung der bisherigen Dorfstruktur.

2010/2011

Frühjahr und Sommer 2020
 

Geplante Räumung des JHQ. Die Immobilien fallen an den Bund zurück.

Die durch das Corona-Virus ausgelöste weltweite Pandemie führt dazu, dass auch in Lüttelforst wie überall in Deutschland alle gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Veranstaltungen abgesagt werden müssen.

 

Mit Hilfe des Kirchenarchivs von Lüttelforst sind noch viele weitere Dokumente, z.B. zur Wirtschaftsgeschichte, zu sichten und zu bewerten. Dieser Artikel wird ergänzt und fortgesetzt…

Quellen

  • Weiler, Urkundenbuch des Stiftes Xanten
  • Karl-Heinz Schroers: Der lange Weg zur Gemeinde Schwalmtal. In: Festschrift „50 Jahre Schwalmtal – 1979 – 2020“. Hrsg. Gemeinde Schwalmtal, o. J. [2020], S. 23-85.
  • Helmuth Elsner: Die Schwalm – Geschichte eines „fleißigen“ Flüsschens. Selbstverlag des Autors. Brüggen o. J. [2016], S. 29 u. S. 77.
  • Pia Steffen u. Tobias Berger: App LuettelGo, www.luettel-go.de, o.J. [2018].